Iris Berben

Schauspielerin, Deutschland

Als eine der bekanntesten und erfolgreichsten Schauspielerinnen der deutschen Film- und Fernsehbranche ist Iris Berbens Karriere so einzigartig wie außergewöhnlich. Schon als Teenagerin stand sie in Kurz- und Experimentalfilmen vor der Kamera. Seit ihrem Kinodebüt 1968 spielte sie in unzähligen Kino- und TV-Produktionen: Dramen, Komödien, Krimis, Italowestern, Fernsehserien, Comedy-Shows, Romanverfilmungen, Märchenadaptionen. Stets überzeugte sie in diesen sehr unterschiedlichen Genres und Formaten. Für ihre herausragende Schauspielkunst wurde sie mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter der »Adolf-Grimme-Preis«, die »Goldene Kamera«, der »Bambi« und die »Romy.« So facettenreich ihre Rollen auch waren, verkörperte sie oft genug Figuren in Geschichten, die ein großes Publikum für gesellschaftspolitisch relevante Themen sensibilisierten. Was sich wie ein roter Faden durch Iris Berbens künstlerisches Schaffen durchzieht, ist untrennbar mit ihrem ambitionierten gesellschaftspolitischen Engagement verbunden. 

Ihr unermüdlicher Einsatz gegen den Antisemitismus hat sicherlich auch damit zu tun, dass sie nach dem Sechstagekrieg 1967 zum ersten Mal nach Israel reiste. Zu einer Zeit, in der die 68er-Generation sich mit den Verbrechen der Eltern radikal auseinandersetzte. Bei der bundesweiten Initiative Gesicht zeigen! für ein weltoffenes Deutschland engagiert sie sich seit Jahren gegen Rassismus und Rechtsextremismus. Sie ist Mitglied in der Jury des Internationalen Nürnberger Menschenrechtspreises. Zudem war sie von 2010 bis 2019 Präsidentin der Deutschen Filmakademie und vertrat in dieser Position die Interessen der über 2000 kreativen Mitglieder der Filmbranche.  

Iris Berben wird den Ehrenpreis am Eröffnungsabend des Festivals persönlich entgegennehmen. 

 

»Raus aus der Komfortzone, Erneuerung zulassen, nicht an alten Gewohnheiten kleben …«, so hat es jüngst Iris Berben in ihrer erfrischenden »Zeit«-Besprechung des Tolstoi-Klassikers »Anna Karenina« formuliert – ein gar nicht neuer, gleichwohl gegenwärtiger Appell, den Tolstoi vor fast 150 Jahren in seinem verblüffend zeitlosen Werk erörtert hat. »Alte Gewohnheiten« heute: zum Beispiel die scheinbar unausrottbare Judenfeindlichkeit. Angesichts der jüngsten Zunahme von antisemitischen Vorfällen in Deutschland hält es Iris Berben für »unfassbar«, dass der Aufschrei im Land nicht sehr viel größer ist. Und sie wirft in Interviews und Artikeln der deutschen Filmszene vor, sie habe viel zu lange zum Terror der Hamas gegen Israel geschwiegen. »Es war ein dröhnendes Schweigen, so laut, dass es unerträglich war«, sagte sie etwa in der »Welt«. Und: »Das Schweigen, das in unserem Land besonders laut ist, besonders spürbar ist, kann uns alle eigentlich nur motivieren, zu sagen: Es kann nicht genug geben, dass wir reden, dass wir laut werden.« Denn »Es geht um die Menschlichkeit, es geht um unsere Menschlichkeit, unsere Empathie«. In der Initiative »Gesicht zeigen! für ein weltoffenes Deutschland« engagiert sie sich seit Jahren gegen Rassismus und Rechtsextremismus.

All das sind die Worte eines Filmstars, der sich nicht im Geringsten darum schert, damit auf Ignoranz, sogar Feindseligkeit zu stoßen. Iris Berben, die lange Jahre mit einem Israeli liiert war und viele persönliche Kontakte in Israel hat, setzte und setzt sich auch auf künstlerischer Ebene mit dem Holocaust auseinander. So hat sie zum Beispiel an dem Hörbuch »Tamar – ein Kinderschicksal im Holocaust« mitgewirkt oder an dem Hörspiel »Die Kinder der toten Stadt«, einem Musikdrama gegen das Vergessen. Das gilt gleichermaßen für ihre filmische Arbeit: In der aktuellen TV-Serie »Deutsches Haus« (Disney+), nach dem Roman von Annette Hess, spielt sie eine polnische Jüdin, die im Auschwitz-Prozess aussagt. Und sie wirkt mit in »Ich bin! Margot Friedländer«, einem Dokudrama über die außerordentlich berührende Lebensgeschichte der 102-jährigen Holocaust-Überlebenden Margot Friedländer.

Oder da ist die Matti-Geschonnek-Verfilmung von »Das Zeugenhaus« nach dem Buch von Christiane Kohl. Verortet in der Novalisstraße in Nürnberg, prallen in einer Villa zu Zeiten der Nürnberger Prozesse im Herbst 1945 Menschen aufeinander, die als Zeugen vor dem Internationalen Militärgerichtshof aussagen sollen: NS-Funktionäre wie Rudolf Diels – immerhin erster, freilich kurzzeitiger Chef der Gestapo – und Hitlers »Leibfotograf« Heinrich Hoffmann neben traumatisierten KZ-Überlebenden, Mittätern, Nazi-Opportunisten und NS-Verfolgten. Iris Berben spielt die »Gastgeberin« in dieser Villa, eine Adelige, die engagiert wurde, um für ein »harmonisches« Klima zu sorgen. Der Film ist ein intensives Kammerspiel, das freilich auf ganz realen Gegebenheiten basiert: Dieses Zeugenhaus gab es tatsächlich, ebenso eine Gräfin namens Ingeborg Kàlnoky als »Hausdame«. Gedreht wurde der Film dort allerdings nicht. Produziert hat den Film übrigens der Sohn von Iris Berben: Oliver Berben.

Iris Berben sagt angesichts ihrer scheinbar unermüdlichen Präsenz: »Natürlich überfordern mich viele Dinge. Meine Speicherkarte ist manchmal voll, aber ich versuche, ruhig zu bleiben, und im Gegensatz zu manch Anderem bin ich angstfrei. Ich habe keine Angst vor Veränderungen oder neuen Herausforderungen.« Aber, trotz allem gesellschaftlichen Engagement – und da ließen sich noch zahlreiche andere Aktivitäten aufführen – Iris Berben ist eine Vollblut-Schauspielerin mit enormer Präsenz auf Leinwand und Bildschirm. Ihr Spektrum ist riesig: Dramen, Komödien, Comedy, TV-Serien wie »Rosa Roth«, Krimis, Kinderkino, Literaturverfilmungen wie die »Buddenbrooks«, aber eben auch die Lola in Sergio Corbuccis Italowestern »Lasst uns töten, Companeros« und ihre Rolle in einem der schönsten Münchner »Tatorte«, dem »Glockenbachgeheimnis«. Die Auflistung wäre endlos, ebenso die ihrer Filmpreise und anderer Würdigungen, die mehrere Grimme-Preise, den Leo-Baeck-Preis oder den Preis für Verständigung und Toleranz des Jüdischen Museums Berlin umfassen.

An Atemlosigkeit leidet sie dennoch nicht. Sie liebt, sagt sie, solche Filme wie »Triangle of Sadness« (2022) des schwedischen Regisseurs Ruben Östlund: Es sei »eine neue Erfahrungsreise« für sie, denn die Dreharbeiten mit ihm erforderten, »dass du deine Mechanismen, dein Sicherheitsdenken, dein Korsett, quasi alles ablegst«.

 

Jochen Schmoldt
Februar 2024, Nürnberg
Journalist