Hommage an Osman Okkan
Osman Okkan erhält den Ehrenpreis des Filmfestivals Türkei Deutschland Nürnberg. Als investigativer Journalist, Hörfunk- und TV-Redakteur, als Regisseur und Produzent von Dokumentarfilmen wurde Osman Okkan für seine Arbeiten und nicht zuletzt für sein kulturelles und gesellschaftliches Engagement schon mehrfach ausgezeichnet. All diese Preise und Auszeichnungen sind in Wahrheit für diejenigen Machthaber, die ihn einst medienwirksam als »den gefährlichsten Terroristen« verunglimpften, ihm seine türkische Staatsbürgerschaft aberkannten und ihn juristisch verfolgten, ein Schlag ins Gesicht. Okkan setzt sich weiterhin kompromisslos für Frieden und Aussöhnung, für Menschenrechte, Demokratie und Gleichberechtigung in der Türkei und in Deutschland ein. Er gilt als Wegbereiter von internationalen Projekten und Begegnungen, der einen gleichberechtigten kulturellen Austausch, einen Dialog »auf Augenhöhe« im Sinn hat. Seine Preise und Auszeichnungen widmete er in den letzten Jahren den politischen Gefangenen in der Türkei. Das ist eine Herausforderung für die Herrschenden in seiner Heimat: Denn er macht auf diesem Wege darauf aufmerksam, dass das Unrecht, was ihm geschehen ist, auch heute praktiziert wird und Tausende von Menschen politisch verfolgt werden oder in den türkischen Gefängnissen sitzen.
Osman Okkan kam 1965, also vor sechzig Jahren, als Student nach Deutschland, und er wurde mit seinem Lebenslauf selbst zu einem Teil der Migrationsgeschichte zwischen der Türkei und Deutschland. Diese sechzig Jahre, die er als Akademiker, Journalist und Aktivist für Menschenrechte, Demokratie und Frieden füllte, waren zugleich eine Geschichte von unermüdlichen Bemühungen, unterschiedliche Bevölkerungsgruppen zueinander zu führen und sie in einen Dialog treten zu lassen.
Als einen wichtigen Schritt in diese Richtung initiierte er 1993 mit einigen Mitstreitenden das »KulturForum Türkei Deutschland«. Als Ehrenpräsidenten für diese Plattform gewann er zwei große Schriftsteller, Yaşar Kemal und Günter Grass, die in ihren Heimatländern jeweils als das »Gewissen der Gesellschaft« galten. Die international bekannten Komponisten Zülfü Livaneli und Mikis Theodorakis konnte er für die »Türkisch-Griechische Freundschaftsinitiative« gewinnen, deren Sprecher er wurde. Lange Jahre leitete er das »Journalisten-Programm« des KulturForums, das Begegnungen und Besuche von Journalistinnen und Journalisten aus beiden Ländern ermöglichte. Im Rahmen dieses Programms kam es zu Begegnungen von »ganz unten« bis hinauf auf die Bundeskanzler-Ebene; auch Vertreter benachteiligter Minderheiten gehörten regelmäßig zu Gesprächspartnern der Journalisten-Gruppen.
Noch bevor sein Dokumentarfilm Mordakte Hrant Dink beim World Media Festival den Preis »Goldener Globus« gewann, gründete Okkan in Köln das »Hrant Dink Forum«, dessen Ehrenpräsidentenschaft Rakel Dink übernahm. Dieses Forum, mit dem Ziel, die Annäherung zwischen der türkischen und armenischen Gesellschaft zu fördern, setzt seine Aktivitäten inbesondere mit Veranstaltungen am Jahrestag der Ermordung von Hrant Dink fort. Auch der »Unterstützungsfonds für politische Gefangene«, den Osman Okkan mitgründete, leistet heute mit Unterstützung von demokratischen Organisationen und Gewerkschaften eine wichtige HIlfe für die politischen Gefangenen unter schwierigen Bedingungen.
Das KulturForum Türkei Deutschland in Köln organisierte 2022 ein internationales Symposium über Yaşar Kemal und 2023 eine großangelegte Veranstaltung anlässlich des 30. Jahrestages der Gründung des Forums in Verbindung mit dem 100. Gründungsjahr der Republik Türkei – mit herausragenden Persönlichkeiten aus Deutschland, Griechenland und der Türkei. Diese im Großen Sendesaal des WDR in Köln realisierte Veranstaltung brachte unzählige Menschen zusammen, die sich für eine demokratische, freie und friedliche Republik einsetzen und sich mit Menschen solidarisieren, die auch am 100. Jahrestag der türkischen Republik immer noch wegen ihrer politischen Ansichten verfolgt oder gefangen gehalten werden.
Für mich als Journalist und Kulturinteressierten bleibt Osman Okkan als Mensch, Kulturvermittler und Menschenrechtsaktivist jemand, der als Ideengeber und Wegbereiter immens wichtige interkulturelle, mediale Projekte angestoßen und mitgestaltet hat. Er war und ist auch ein Architekt im Hintergrund eines Netzwerkes, für das er Menschen aus den Bereichen Kunst, Medien, Wissenschaft und Politik begeistern kann – nicht zuletzt auch Menschen aus Gewerkschaftskreisen und anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen – eben jenen Netzwerken, bei denen sein Engagement vor 60 Jahren begann und sich bis heute fortsetzt.
Das von Fuat Saka komponierte Dark Waters, die erste Symphonie der Welt über Flucht und Migration, über eines der wichtigsten Themen unserer Zeit also, die zuerst in einigen europäischen Städten gespielt wurde und nun im Februar 2025 in Hatay aufgeführt wird, einem der Epizentren der großen Erdbeben 2022 in der Türkei, konnte dank Osman Okkan und dem KulturForum realisiert werden: dies unter Beteiligung von Künstlerinnen und Künstlern aus der Türkei, Deutschland und Griechenland.
Osman Okkan lebt in Köln und kann seit geraumer Zeit nicht in die Türkei einreisen. Trotzdem schafft er es, Projekte umzusetzen, die den kulturellen Dialog, Menschenrechte und Demokratie in der Türkei und Deutschland im Fokus haben. Er bereitet bei der »Stabsübergabe« im KulturForum gleichzeitig den Weg für eine türkisch-europäische Plattform vor.
Als Dokumentarfilmer arbeitet er derzeit an seinem neuen Projekt über Zeitzeuginnen und Zeitzeugen aus der ersten Migrantengeneration, insbesondere über die türkischstämmigen Pioniere der Gewerkschaftsbewegung in Deutschland, wie Yılmaz Karahasan und Ülkü Schneider-Gürkan von der IG Metall.
Bei der Preisverleihung der türkischen Schriftsteller in Europa hieß es unter anderem: »Wir haben das Glück, auf dieser Welt gemeinsam zu leben! Diese Welt und dieses Deutschland gefallen uns durch Ihr Wirken besser! Schön, dass Sie bei uns sind, Osman Okkan!«
Anlässlich des Ehrenpreises in Nürnberg kann ich das nur wiederholen:
Es tut so gut, zu wissen, dass wir Sie haben, Herr Okkan ...
Gürsel Köksal
Journalist, Frankfurt